Lateral Leadership

Lateral führen: Wie Sie ohne hierarchische Macht Unterstützung von anderen bekommen

Viele Managementlehren konzentrieren sich darauf, effektiver mit untergebenen Mitarbeitern zu arbeiten. Dennoch müssen sowohl leitende Angestellte als auch mittlere Führungskräfte regelmäßig Unterstützung von Menschen annehmen, über die sie keine formelle Autorität haben. Tatsächlich zeigt eine Studie von Henry Mintzberg, dass Führungskräfte mehr als die Hälfte ihrer Zeit auf das Organisieren von Beziehungen außerhalb ihrer direkten Verantwortung aufwänden. Natürlich beinhaltet das Zeit, die mit Kunden und Zulieferern aber mit Verhandlungen und Koordination mit Kollegen, Mitarbeitern anderer Abteilungen, sowie deren Kontaktnetzwerken verbracht wird. Selbst bei ihren eigenen Untergebenen stellen Manager schnell fest, dass formelle Autorität ihre Grenzen hat. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die nachrückende Generation Y zunehmend weniger bereit ist, den Standpunkt einer Autoritätsperson allein um dessen Position anzuerkennen.
 
Menschen außerhalb des eigenen formellen Zuständigkeitsbereiches zu mobilisieren ist deshalb ein entscheidender Erfolgsfaktor geworden. In Ihrem Artikel Führen ohne Führung im Harvard Business Manager 1/2004 sehen Stefan Kühl, Thomas Schnelle u. Wolfgang Schnelle 3 wichtige Bausteine dafür:

  • Das Nutzen von Macht in Organisationen
  • Das Gestalten eines echten Dialoges
  • Den Aufbau von Vertrauen

 
Macht in Organisationen nutzen

Machtspiele sind oft verdeckt und die Beteiligten realisieren den Missbrauch von Macht meist nicht, beziehen sich auf Ihre bessere Kompetenz, ihre Rechte, ihre eigenen Vorgesetzten oder Kompetenzen.
Macht breitet sich dabei oft in Zonen der Unsicherheit mit wenig Regeln aus. Als Laterale Leader geht es darum, die Machtverhältnisse und Machtspiele zu Beginn zu analysieren: woher nehmen die Akteure Ihren Einfluss und welche Grauzonen bzw. Zonen der Unsicherheit stecken dahinter?
Außer hierarchischer Macht gibt es in Unternehmen noch zahlreiche andere Machtquellen: Herkunft, Geld, Mehrheit, Wissen, Funktion oder Kontakte. Machtspiele sind immer Verhandlungen, als Lateraler Leader kann ich z.B. Austauschräume schaffen, um Machtspiele zu kanalisieren und bewusst zu ermöglichen. Das könnte vor allem in informellen Räumen wie am Rande von Meetings oder Konferenzen stattfinden. Eingefahrene Machtbeziehungen lassen sich oft durch das einbeziehen von neuen Player auflockern und entspannen oder auch durch neue und am besten einfache Regeln (z.B. Abfrage von Erwartungen zu Beginn eines Meetings, …)


Explorieren und Plädieren: Gestalten eines echten Dialoges

Ein echter Dialog  besteht aus Explorieren und Plädieren. Beim Explorieren geht es darum, nach den Annahmen, Meinungen und Standpunkten Ihres Gegenübers zu fragen, die Bedürfnisse und Bedenken Ihres Gegenübers zu verstehen. Aktives zuhören ohne Unterbrechung ist dabei wichtig. Wie könnte der andere von Ihrem Projekt persönlich profitieren? Was könnte seine Position in der Organisation stärken?
Nur so können Sie die passende Tauschwährung identifizieren und ein Mindset der Partnerschaftlichkeit schaffen. Zusammenfassungen oder das Formulieren in eigenen Worten stellen das das gegenseitige Verstehen sicher.
Genauso wichtig ist es dann die eigene Position klar aus zu drücken. Für den eigenen Standpunkt zu plädieren. Stellen Sie Annahmen, die zu Ihrer Meinung und Position führen verständlich dar und nutzen Sie belastbare Daten und Fakten  in Ihrer Argumentation, keine Anekdoten. Bieten Sie ein klares Bild, was Ihre Handlungsstrategie antreibt und zeigen Sie ihre langfristige Vision. Senden Sie immer die gleichen Botschaften über einen längeren Zeitraum. Ist Ihre Strategie mit den generellen Unternehmenszielen im Einklang? Integrieren Sie Ihre Ziele in übergeordnete Unternehmensziele. Nutzen Sie Begriffe, die Ihr Gegenüber benutzt und verbinden Sie die Ziele des Gegenübers mit Ihren eigenen.

 
Vertrauen aufbauen

Vertrauensvolle Beziehungen wachsen je häufiger ein gegebener Vertrauensvorschuss vom anderen erwidert wurde. Das muss nicht zur selben Zeit oder in der gleichen Währung erfolgen.
Der Aufbau von Vertrauen braucht also Zeit und erfolgt mit Vorleistungen. Umgekehrt geht es darum, Vertrauen, das einem selbst von anderen entgegengebracht wird, nicht zu enttäuschen und permanent am Ball zu bleiben. Ein vertrauenswürdiges Image wirkt ebenso auf indirekte Kontakte im Umfeld.
Wie kann ich das Geben und Nehmen deutlicher machen? Zum einen schadet es nicht, den eigenen Aufwand zu benennen und nicht herunter zu spielen (z.B.“Um diesen Punkt jetzt noch auf die Agenda zu bringen, muss ich mich noch ein paar Stunden ans Telefon hängen..“) und natürlich auch die anderen Aufwände zu schätzen (z.B. “Ich weiß, dass der Bericht Dich 2 Tage Arbeit kosten wird..“). Im Falle eines noch nicht ausgeglichen Kontos macht es Sinn das klar zu benennen (z.B. “Meine Frage verursacht eine Menge Arbeit, ich werde das nicht vergessen…“). Auch kleine Gefallen zahlen auf das gemeinsame Konto ein! Im gegenseitigen Geben und Nehmen sollte niemand leere Versprechungen machen und auch klar seine Grenzen aufzeigen.
 

Silodenken überwinden

Obwohl sich die einzelnen Teile eines Unternehmens bewusst sein mögen, dass sie letztlich auf das gleiche Ziel hinarbeiten, haben sie alle ihre eigenen Prioritäten und Zwänge. Der Kundendienst könnte beispielsweise die Regel haben, alle Kundenanfragen innerhalb von 48 Stunden zu bearbeiten, selbst wenn das bedeutet, dass manchmal zu Spitzenzeiten das Erstellen von Statistiken aufgeschoben werden muss, die vom Marketing angefordert werden und das im Bewusstsein, dass diese Daten dabei helfen werden, die Kundenzufriedenheit zu steigern. Echte Zusammenarbeit geht über die eigenen Ziele hinaus und muss das große Gemeinsame Ziel an erste Position stellen. Das gilt es immer wieder zu benennen und Wiedersprüche mutig aufzuzeigen.
Zusammenarbeit ist selten ein perfektes Gleichgewicht, zu dem alle Beteiligten gleichermaßen beitragen. In der Tat ist meist das Gegenteil der Fall, also, dass eine Partei die Ressourcen einer anderen benötigt um ein bestimmtes Projekt zu realisieren ohne direkt im Gegenzug etwas anbieten zu können. Wenn das passiert, wird kooperatives Entgegenkommen auf eine harte Probe gestellt. Wenn Kollegen befürchten, dass ihre Leistung  als selbstverständlich erachtet oder dass sie ausgenutzt werden, werden sie, sobald ein Interessenkonflikt aufkommt, ihre eigenen Interessen über die der anderen stellen oder Gegenleistungen für Leistungen fordern, die sie bisher als Gefallen erbracht haben. Darüber gilt es kontinuierlich zu sprechen, die geltenden und möglichen Tauschwährungen und jeweiligen Vorteile immer wieder klar zu benennen.
 
 
Quellen:
Leadership without Authority, Allan R. Cohen, David L. Bradford, Wiley, 2005.
Führen ohne Führung von Stefan Kühl, Thomas Schnelle u. Wolfgang Schnelle im Harvard Business Manager 1/2004
The keys to lateral leadership, in Manageris: 28, rue des Petites Écuries, 75010 Paris

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