Führen in der VUCA-Welt

Führen in der VUCA-Welt: Die sieben Prinzipien der Light-Footprint-Strategie

Wie können sich Unternehmen in der neuen VUCA-Welt behaupten? Indem sie sich am Militär und an Chinas Privatsektor orientieren, schreibt Charles-Edouard Bouée in seinem 2014 erscheinenden Buch „Light Footprint Management“. Charles-Edouard Bouée ist President von Roland Berger Strategy Consultants, Asien. Er ist Wirtschaftsberater der französischen Regierung in China und Vorstandsmitglied der europäischen Handelskammer in China.
Chinas boomender Privatsektor ist ein Kind der VUCA-Welt und hat sich an und mit ihr entwickelt. Merkmale des dort zugrunde liegenden Führungsstils beschreibt Bouée in seinem Buch „China’s Management Revolution: Spirit, Land, Energy“ (Palgrave Macmillan, 2010).
Chinesische Führungskräfte legen viel Wert auf Taktik und Vision, auf philosophische und spirituelle Themen, und unterscheiden sich in vielen weiteren Aspekten von westlichen Managern.
Chinas Privatsektor und das Militär sind aus seiner Sicht „Early Adapter“ an eine unbeständige, ungewisse, komplexe und zweideutige Welt. Militärexperten entwickelten am „War College“ der US-Armee in Carlisle (Pennsylvania) das Konzept VUCA – ein Akronym, das für „Volatile“, „Uncertain“, „Complex“ und „Ambigious“ steht. Damit werden Absolventen auf ihre militärische Laufbahn in der VUCA-Welt vorbereitet.

Bouée beschreibt im  Unternehmensmagazin Roland Bergers – „think:act“ – bereits im Oktober 2013 sieben Schlüsselprinzipien, die echte Gewinner in der VUCA-Welt nutzen.
Zusammengenommen ergeben diese Prinzipien die „Light-Footprint-Strategie“, in Anlehnung an die US-Militärstrategie, die Obama als Reaktion auf die sich ändernde Kriegsführung in asymetrischen Szenarien angewendet hat.
Welche Merkmale unterscheiden diesen Light-Footprint-Ansatz von herkömmlichen Führungsmethoden? „Ein Light-Footprint-Unternehmen ist besser in sein sich ständig wandelndes Umfeld integriert und reagiert darauf sensibler“, so Bouée. Wettbewerb bedeutet, dass Unternehmen sich kontinuierlich an ihre sich ändernden Umwelten anpassen müssen, sie können ihren Wettbewerbsvorteil heute über Nacht verlieren.
Trends wie Digitalisierung, sich ändernde gesetzliche Vorgaben, Emerging Markets, der Rückbau der Wertschöpfungskette und das Bedürfnis nach höherer organisatorischer Agilität sind große Veränderungen für die Geschäftswelt. Unternehmen müssen heute kontinuierlich für Innovationen sorgen, um vor dem Wettbewerb zu bleiben.

Die sieben Prinzipien der Light-Footprint-Strategie

1. Technikaffinität
VUCA-Gewinner sind technikverliebt. Sie sorgen konstant für Innovation und integrieren externe technologische Innovationen in ihre Geschäftsmodelle.
Ein Beispiel für technikaffines Denken ist das vernetzte Fahrzeug– die Integration von Internet, E-Mail, iPhone etc. in Fahrzeuge mit dem Endziel, ein autonom fahrendes Fahrzeug zu realisieren.

2. Internetxpertise
Das zweite Prinzip der Light-Footprint-Strategie ist die Fähigkeit, neue Technologien / den Cyberspace zu beeinflussen, im Besonderen das Web 2.0, die Auswertung von Big Data und Digitalisierung. Das US-Militär bezeichnet das Internet als fünftes Schlachtfeld nach Luft, Land, Meer und Weltraum.

3. Spezialeinheiten
Kleine, multidisziplinäre, autonome Teams, die nur ein besonderes Ziel verfolgen. Diese Teams sind das Businessäquivalent zu kleinen, hochtrainierten Einheiten, die das US-Militär statt großer Bataillone einsetzt, z. B. die Navy Seals. Für Unternehmen sind sie das wahre „Gemba“ – der Ort, an dem die Wertschöpfung erzeugt wird.

4. Extreme Agilität
In der VUCA-Welt ist es überlebensnotwendig für Unternehmen, schnell auf jede Veränderung in ihrem Dunstkreis zu reagieren und sich ohne Verzögerung neu auszurichten. Das braucht eine echte Balance zwischen Zentralisation und zugleich Dezentralisation.

5. Offenheit
In der heutigen, unglaublich komplexen Welt ist es nicht überraschend, dass die erfolgreichsten Player diejenigen sind, die die stärksten Partnerschaften aufbauen – mit unterschiedlichen Unternehmen, Kunden, öffentlichen Dienstleistern, Forschungseinrichtungen, lokalen Partnern und anderen.

6. Verschwiegenheit
Offen sein heißt nicht, dass man alles mit jedem teilen soll. VUCA-Gewinner sind in der Regel sehr verschwiegen um ihre Themen.
Die Geheimhaltung dreht sich vor allem um Innovationen, um das Überraschungsmoment gegenüber den Wettbewerbern zu schützen.

7. Risikominimierung
Das letzte Prinzip ist die Risikominimierung. In einer volatilen Welt ist es nicht immer möglich, die Konsequenzen des eigenen Handelns auf Dritte vorherzusagen. Manager müssen deshalb Risikomanagement in ihre Strategien integrieren.

Die sieben Prinzipien der Light-Footprint-Strategie können wie folgt zusammengefasst werden: Investition in die richtigen Dinge – wie z.B. Organisationsaufbau und Informationen – am richtigen Ort, um die eigene Energie auf das Ziel zu fokussieren, und agil genug sein, um sich dann selbst dorthin zu bewegen. In der heutigen VUCA-Welt können Unternehmen schnell vom Marktführer zum Verlierer werden und umgekehrt. Traditionelle Firmen, die sich nicht anpassen können, werden bald in die Krise geraten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Firma Kodak, ehemals Marktführer, die es nicht geschafft hatte, sich an die digitale Revolution anzupassen. Die gute Nachricht ist, dass so ein Prozess nicht vorprogrammiert ist.
Die Roland-Berger-Studie hat zahlreiche Beispiele traditioneller Unternehmen identifiziert, die sich erfolgreich zu Light-Footprint-Champions entwickelt haben:
BMW mit seinen vernetzten Fahrzeugen, Target mit seiner Fähigkeit, Big Data auszuwerten, Chanel mit der Perfektion der Geheimhaltung. Weitere sind Netflix, Free, Zara oder Nestlé.
Die meisten VUCA-Champions sind erst in der VUCA-Welt geboren und so ist Agilität und Flexibilität Teil ihrer DNA. Traditionelle Firmen können mithilfe der sieben Prinzipien zu Light-Footprint-Champions werden.
Da sich VUCA auf die gesamte moderne Gesellschaft – und nicht nur auf die Militär- und Geschäftswelt – bezieht, empfiehlt Bouée einen Übergang zum Light Footprint für alle Arten von Organisationen. In einer volatilen und unsicheren Welt hängt Wachstum in hohem Maß von unserer Fähigkeit ab, auf Veränderungen innerhalb von wenigen Tagen oder sogar Stunden zu reagieren. Und es gibt keinen Grund, warum das nur neuen Spielern auf dem Platz vorbehalten sein sollte.

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