Scrum und Agile Leadership

Scrum und Agile Leadership

Führung im agilen Umfeld ist anspruchsvoller als im alten hierarchischen System: Neue Rituale mit Teams oder dem ganzen Bereich müssen gefunden und eingeübt werden.

Wie funktioniert Scrum?
Scrum ist eine Analogie aus dem Rugby und steht für eine Formation, die sich aneinanderklammert. Scrum ist heute Standard für agile Softwareentwicklung. Scrum wird zunächst für Projektteams angewendet. In den vergangenen Jahren wurde die Methodik erfolgreich auf das Management von größeren Organisationseinheiten und Unternehmen übertragen. SCRUM ist damit eine Managementmethodik.

Bei Scrum wird das Produkt bzw. der Kundenauftrag in Sprints zu 4 Wochen zerlegt. Es steht dabei am Anfang keine bis ins Detail spezifizierte Anforderungsliste zur Verfügung, lediglich die wichtigsten Funktionen sind festgelegt. Das Team arbeitet sich dann von Sprint zu Sprint, Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, Kundenfeedback wird sofort einbezogen, Reflexionen und Reviews laufen kontinuierlich.

Scrum kann also als Rahmenmethode bezeichnet werden und hat als Kern die gleichen Prinzipien wie z. B. das Toyota-Produktionssystem: Kleine, autonome Teams, der Deming-Zyklus (Plan-Do-Check-Act), One Piece Flow (immer nur ein Teil ist in Arbeit), Waste wird identifiziert (im Scrum „Impediments“), das Team steuert die Arbeit (Pull-Prinzip). Scrum kann der perfekte Rahmen für den Design-Thinking-Prozess sein.
Das Scrum-Team besteht meist aus 7 Personen (Scrum Master, Product Owner und fünf Mitglieder des Entwicklungsteams, die sich gegenseitig ergänzen und ersetzen können). Es organisiert sich vollständig selbst. Der Scrum Master ist nicht im Entwicklungsteam. Er organisiert die Rahmenbedingungen. Der Product Owner steuert das Team aus fachlicher Sicht (z. B. Reihenfolge der Funktionalitäten), er ist Controller, Stratege und Visionär. Ursprünglich war Scrum auf diese 3 Rollen beschränkt. Idealerweise wird die Umwelt des Teams mit den weiteren drei Rollen Manager, Customer und User einbezogen.
Der Manager schafft somit den übergeordneten Rahmen (z. B. Richtlinien, Anerkennungssystem), in dem sich Scrum Master und Team bewegen, oft löst er vom Scrum Master identifizierte Probleme. Meetings finden auf der strategischen und auf der operativen Ebene statt.
Strategisch z. B. Priorisierung von Produkt-Backlogs, Einführung in die Funktionalität, Scrum Masters Weekly.
Operativ z. B. Sprint Planning Meeting 1 & 2, Daily Scrum, Scum of Scrums, Sprint Review, Sprint Retrospective Meeting.

Was bedeutet dieser Transfer in letzter Konsequenz für eine Organisation?
Scrum bricht mit traditionellem Projektmanagement. Der einfache Ablauf und die wenigen Regeln lassen dysfunktionale Strukturen sehr schnell zum Vorschein kommen. Der Scrum Master hat die Aufgabe, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, er agiert wie ein Change Agent, wenn er das Umfeld um das Scrum-Team mit innovativen Vorschlägen konfrontiert. Der Blick ist stets nach außen auf den Kundennutzen gerichtet. Wird dieses Prinzip auf eine gesamte Organisation übertragen, bedeutet es:

  • Blick nach außen statt Energie auf interne Prozessoptimierung.
  • Ständiger Kontakt mit Kunden und Lieferanten.
  • Kontinuierliche Verbesserung der eigenen Lösungskompetenz.
  • Erhöhung der Innovationsfähigkeit.
  • Produkte sind Lösungen für Probleme des Kunden.
  • Arbeit ist kreativ, anregend, sozial, menschengerecht.
  • Die Organisation ist auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet.
  • Entscheidungen können besser und schneller als durch den Wettbewerber getroffen werden.
  • Kräfte, die von außen kommen, sind wichtiger als Kräfte, die von oben kommen.

Was bedeutet das für Führung? Agile Organisationsformen gehen davon aus, dass Mitarbeiter entscheiden wollen und motiviert sind, sich zu engagieren. Agile Unternehmen verzichten auf klassische Hierarchie- und Matrixstrukturen.

Alle Mitarbeiter finden sich in Teams wieder, es gibt weder Teamleiter, oft managen die Teams sich selber, frühere Supportprozesse können entfallen. Agile Vorgehensweisen wie Scrum bedingen, dass die Mitarbeiter Entscheidungen autonom treffen und dass sie alle Informationen besitzen. Oft liegen in Organisationen genau diese Entscheidungskompetenz und das explizite und nicht-explizite bzw. Erfahrungswissen als Machtinstrument im oberen und mittleren Management. Agile Managementmethoden untergraben also diese Machtbasis z. B. durch moderne Moderationsmethoden wie Design Thinking, machen es für alle zugänglich.
Damit stehen agile Unternehmensformen vor der Herausforderung, ihrem Management den richtigen Platz zu verschaffen. Was bleibt also übrig, vor allem für das mittlere Management? Besonders das mittlere Management ist prädestiniert dafür, Zukunft zu antizipieren, nach vorne zu denken, Mitarbeiter zu stützen.

Führung im agilen Umfeld ist anspruchsvoller als im alten hierarchischen System: Neue Rituale mit Teams oder dem ganzen Bereich müssen gefunden und eingeübt werden. Führungskräfte müssen lernen, Fehler und vollständige Transparenz auszuhalten. Kerngeschäft der Führungskräfte, die unter Umständen von den Teams gewählt werden, ist damit die Weiterentwicklung der Organisation. Dazu braucht es Erfahrung und Reife.

Agile Führungsprinzipien nach Foergen & Kaczmarek

  • Sich selbst einwickeln ⇒ z. B. 360-Grad-Feedback, kollegiale Beratung, Vorbild sein
  • Andere coachen und entwickeln ⇒ Rahmenbedingungen für Motivation schaffen, Teams ermächtigen, Kompetenz entwickeln
  • Ständige Verbesserung unterstützen ⇒ Strukturen bilden, ständig verbessern
  • Gemeinsame Ausrichtung schaffen ⇒ Starke Vision geben, Richtung geben, Rahmenbedingungen setzen


Quellen: Wirtschaft und Management, Band 19, Oktober 2013 (Boris Gloger), Organisation in einer Digitalen Zeit, Wibas 2015, Foergen & Kaczmarek

Scrum und Agile Leadership

Agile Produktentwicklung bei Johnson Controls: Interview mit Heinz Erretkamps (PDF, 241.7 kB)